Der frische Wind bläst ihnen um die Ohren, während die neun Frauen und zwei Männer vom Enzkreis mit leeren Mägen an einem sonnigen Herbsttag ihren elf Kilometer Marsch antreten. Die Heilpraktikerin Carola Schwager führt die Gruppe an. Es ist nicht das erste Mal, dass sie zum Fastenwandern unterwegs sind. Fasten heilt, genau das ist der Grund der Frauen und Männer, das zu tun.

Im Laufe der Entwicklung hat der Stoffwechsel des Menschen gelernt, sich einer Nahrungsknappheit anzupassen. In der heutigen Konsumgesellschaft ist Nahrung allerdings immer verfügbar und unterbricht so den natürlichen Rhythmus unserer Essgewohnheiten. Ohne es zu wissen, nehmen wir viel mehr Nahrung auf, als unser Körper eigentlich benötigt und verkraftet. „Deswegen gilt es vor allem heutzutage, regelmäßig zu fasten“, so Frau Schwager. Die Heilpraktikerin leitet die Gruppe während des Heilfastens an, gibt Anweisungen, führt nach dem wandern Meditationen durch und erklärt die Prozesse währenddessen genau. Das ist sehr wichtig, vor allem für diejenigen, die noch nie gefastet haben.
„Das Leben findet in einer toxischen Gesellschaft statt, in der Alles zu viel ist“, sagt Carola Schwager. Zu viel Essen, zu viele Informationen, zu viele Optionen. Wer nicht isst, hat plötzlich etwas, das allen fehlt: mehr Zeit; zum Lesen, zum Ausruhen, zum Nachdenken, vielleicht sogar zum Beten. Man tut Dinge, die vorher keinen Raum hatten. Man sieht den Frauen und Männern an, dass Sie es genießen und voller Lebensfreude mit einem Strahlen vorangehen. Beim Fasten sollte man sich vorab erkundigen, welche Methode man wählt. Die Enzkreis-Gruppe fastet nach dem Prinzip ‘Heilfasten nach Buchinger‘, welche eine Methode ist, die sowohl bei Gesunden, als auch zur Vorbeugung von Krankheiten und sogar zur Heilung eingesetzt wird. Sie befasst sich mit medizinischen, spirituellen und psychischen Dimensionen. Die drei Ebenen sollen eine synergetische Auswirkung haben und den Zugang zu höheren Bewusstseinsebenen anregen.

Unter der Enzkreis-Gruppe befinden sich einige Teilnehmer, mit unterschiedlichen Beschwerden, wie zum Beispiel Multiple Sklerose oder Morbus Crohn. Diese berichten während des Wanderns von einer starken Verbesserung ihrer Beschwerden. Petra S., eine der Fastenden kann so ihre Darmerkrankung vollständig heilen, erzählt sie. Sie fastet seit nun mehr als 20 Jahren und fühlt sich endlich wieder wohl und gesund. Ihr behandelnder Arzt riet ihr aufgrund der Erkrankung vom Fasten ab, trotzdem entschied sie sich dafür, – mit positiven Auswirkungen. Bei solch erfreulichen Resultaten ist es kein Wunder, dass die Gruppe so viel Power hat, obwohl sie nichts isst.
Natürlich kann und darf aber auch jeder einfach nur fasten, weil es gut für den Körper ist; weil man sich danach leichter fühlt, die Haut klarer ist. Nicht jeder muss nach einer Fastenkur sein Leben auf den Kopf stellen, aber: „Jeder kann diese Art der Reinigung gebrauchen“, so eine Patientin. Damit könnte Sie Recht haben.
Heute ist bereits der vierte Tag, an dem die Wanderer fasten. Die ersten zwei Tage waren mit starken Kopfschmerzen und Übelkeit verbunden, da sich der Körper in dieser Zeit am stärksten mit der Entgiftung beschäftigt. Schon nach 14 Stunden ohne Nahrung schaltet der Körper eine Art innere Renigung an. Der Kopf pocht, durch den Kaffee-, Zucker- oder Nikotinentzug. Um richtig zu entgiften, muss vor der Fastenkur der Darm vollständig entleert werden, damit schwindet auch das Hungergefühl. Das Glaubersalz zur Darmreinigung schmeckt alles andere als gut und die Einläufe sind auch nicht jedermanns Sache. Der ein oder andere führt deshalb lieber mit Sauerkrautsaft ab. Auch das muss jeder Patient für sich selbst herausfinden. Wegen der geringen Zuckerzufuhr rutscht der Blutdruck in den Keller. Bis der Körper sich auf die innere Reinigung eingestellt hat, signalisiert er: „Hunger!“, aber diese Phase ist absehbar. Erfahrene Heilfaster haben nach dem Abführen kein Hungergefühl mehr.

Am dritten Tag kommt dann das „Fasten High“, lächelt Carola Schwager. Man gewöhnt sich langsam an das „Nichtessen“ und fühle sich immer freier von den Konsum Gedanken. Jeder einzelne der Gruppe wirkt so, als wäre er/sie total bei sich. Alle haben eine zufriedene und gelassene Aura, was zeigt, wie sehr der Körper und das geistige Wohl vom Fasten profitieren.

Die Therapiedauer variiert in der Regel zwischen zwei bis vier Wochen und sollte durch einen Arzt begleitet werden. Das Fasten für Gesunde bezeichnet ein Kurzfasten, das durch ausgebildete Fastenleiter, wie Carola Schwager betreut werden kann. Diese Fastenform kann zuhause praktiziert werden und dauert in der Regel nicht länger als sieben Tage. Auch diese Gruppe fastet im Schnitt sieben Tage und berichtet währenddessen durchweg von einem verbesserten Lebensgefühl. Wichtig zu wissen ist, dass eine Fastenkur keiner Diät gleichzusetzen ist und lediglich zur Förderung der Gesundheit und zum entschlacken dient. Natürlich berichten die Frauen und Männer auch von einem Gewichtsverlust, der nach der Kur wieder ausgeglichen wird. Bei übergewichtigen Patienten hat die Fastenkur trotz allem einen positiven Aspekt. Wer möchte, kann nach der Fastenzeit mit einem gesunden Ernährungsstil anknüpfen und so dauerhaft ein gesundes Wohlfühlgewicht halten.

Forschungen zufolge wurde in Graz im Labor des Altersforschers Frank Madeo von 30 Wissenschaftlern untersucht, was periodischer Nahrungsverzicht in Zellen auslöst. Das Ergebnis brachte enorm viel Gutes mit sich. Es wurden zahlreiche gesundheitsfördernde Aspekte festgestellt. Auch der Wissenschaftler Valter Longo, Biologe an der University of Southern California in Los Angeles äußert sich zum Nahrungsverzicht: „Fasten ist tatsächlich eines der stärksten Medikamente, die uns zur Verfügung stehen.“ Verschiedene Formen des Fastens, die in einer Handvoll Labors weltweit untersucht werden, zeigen mittlerweile wissenschaftlich nachweisbare Effekte auf die Gesundheit: So konnte die Linderung von Blutdruckbeschwerden, chronischen Krankheiten wie Rheuma oder Arthritis, verbesserte Stimmung, Körperverjüngung und die Vorbeugung von Demenz beobachtet werden. Joel Klotz, eine der Fastenfrauen in Frau Schwagers Gruppe berichtet, dass ihre Krankheit: Multiple Sklerose, seitdem sie fastet, erträglicher geworden sei und sie gestärkter durch den Tag komme. Hier, inmitten des Fastenschwarms merkt man, wie gut es ihnen tut. Jede Dame trägt eine Flasche Wasser oder Saft mit sich: „Die ersten Male Fasten fallen noch schwer, doch mit den Jahren wird es immer leichter und es macht richtig Spaß“, so eine Patientin. Täglich wandern die Damen und Herren im Schnitt zehn Kilometer und meditieren im Anschluss. Sie wirken dabei richtig fit und energiegeladen. Dennoch ist es wichtig, sich in Bewegung zu halten, da die Muskulatur ohne Essen schneller abbaut. Die Durchblutung wird angeregt, was wiederum den Kreislauf fördert und dazu noch eine gute Ablenkung für den leeren Magen ist.
Laut Carola Schwager sollte man als Anfänger unbedingt eine von einem Profi geleitete Fastenkur durchführen und alle Grundanweisungen befolgen. Hierzu zählen insbesondere auch die Vorbereitung, Ausleitung, Durchführung und das Fastenende. Wie zum Beispiel zum Beginn des Fastens mit den jeweiligen Abführmaßnahmen, zum Beispiel durch Glaubersalzlösung. Hinzu kommt, dem Körper genügend kalorienarme Flüssigkeit (mind 2,5 L pro Tag) zuzuführen. Daneben sollte eine Kalorien- ,Vitamin- , und Salzzufuhr über Obst- und Gemüsesäfte, Honig und Gemüsebrühe erfolgen. Vor allem die Gemüsebrühe ist essenziell für den Salzgehalt im Körper. Dafür sollten ausschließlich naturbelassene Lebensmittel ohne Zuckerzusätze verwendet werden.

Ist die Fastenzeit erfolgreich überstanden, beginnt am letzten Fastentag das Fastenbrechen. Man beginnt damit, dem Körper langsam wieder Nahrung zuzuführen – zunächst in Form pflanzlicher Kost, zum Beispiel durch Apfelkompott und später Kartoffelsuppe. Danach sollte man langsam wieder anfangen, sich normal zu ernähren. Viele der Fastenden berichten, wie sehr sie sich schon auf die erste feste Nahrung freuen. So entsteht plötzlich wieder ein ganz anderer Bezug zur Nahrung und dem eigenen Essverhalten. Geschmäcker werden intensiver erlebt als zuvor und der Umgang mit Nahrung und sich selbst wird nachhaltig verändert.

Photos: unsplash.com / Petra Söhner

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